Kammermusik - Schatulle M57
Die letzte Schatulle
von Siemens, die M57, hat alles was ein guter Empfänger
braucht, verpackt in einem schönen Möbelstück. Gebaut wurde
sie von 1955 bis 1957, danach war das Konzept "Schatulle"
wohl nicht mehr gefragt und der "3D"-Klang eroberte die
Wohnzimmer...
Als dieses Radio zu mir kam, spielte es nicht mehr. Davor
wurde es jedoch ohne jegliche Durchsicht oder Reparatur
betrieben, bis es irgendwann aufgab und schwieg. Eigentlich
das Schlimmste was einem Radio passieren kann! Wichtige
Teile wie der Ausgangsübertrager oder der Netztrafo können
zerstört werden und dann ist guter Rat oft teuer...
Problem bei diesem Gerät ist auch, dass sehr viele
Vitrohm-Widerstände verbaut wurden, die allesamt außer der
Toleranz sind. Gerade die hochohmigen Exemplare neigen sehr
stark dazu, noch hochohmiger zu werden.
Man sieht schon einige "Vitrohm´s" und auch einen
verbrannten Widerstand, neben den unzähligen
Papierkondensatoren. Hier gibt es viel zu tun!
Einer der Elkos ist sogar vor "Freude" geplatzt und hat dem
Netzteil den Rest gegeben. Zum Glück ist dort ein Widerstand
durchgebrannt und hat Gleichrichter und Netztrafo so das
Leben gerettet.
Technisch hat das Gerät einiges zu bieten: Neben der
Gegentaktendstufe mit zwei EL84, ausgelagertertem
Lautstärkeregler, Abschaltung des magischen Fächers (EM80)
und der Skalenbeleuchtung nach dem Schließen der Türchen
besitzt dieses Radio auch eine pegelgesteuerte
Begrenzer-Automatik der FM-ZF!
Mit steigender Amplitude der ZF-Spannung entsteht durch
Gittergleichrichtung eine wachsende negative Vorspannung.
Diese wird auf das Gitter der bei FM-Betrieb sonst ohne
Funktion bleibenden Triode der ECH81 gegeben und bewirkt
eine Reduzierung des Anodenstroms. Dadurch steigt nun aber
die Anodenspannung an der Triode an und damit die Spannung
des Schirmgitters der EF80. So erhält man die die
pegelgesteuerte Begrenzerspannung. Damit bleibt bei
UKW-Betrieb kein System einer der elf (!) Röhren ungenutzt.
Hier sieht man die getauschten Teile; Neben den Widerständen
und Kondensatoren musste ich auch noch die ECH81, die beiden
EL84 und die EABC80 tauschen. Letztere erzeugte ein Brummen,
was sich auch nicht durch das von Siemens vorgesehene Poti
im Heizkreis minimieren ließ.
Der Probelauf verlief sonst sehr gut, die EM80 ist noch
strahlend hell. Anscheinend wurde diese Schatulle sehr oft
nur mit geschlossenen Türchen betrieben.
Auch am ausgelagerten Lautstärke-Poti saßen zwei
Papierkondensatoren und ein Vitrohm.
Hier sieht es wieder gut und vor allem sicher aus!
Siemens Radios lassen sich gut Abgleichen, zumindes auf UKW.
Für die AM-Bänder hat man ein eher schlechtes System
gewählt, bei dem Plastikröhrchen ineinander geschoben und
dann an einer Kante verschmolzen werden. "Nur zum einmaligen
Gebrauch..."
Jetzt kann das Chassis auch wieder ins Gehäuse einziehen.
Siemens hat hier entsprechend der Ausgangsleistung vier
Lautsprecher eingebaut.
Der Klang ist absolut hervorragend!
Schön dezent mit geschlossenen Türchen, dennoch über das
"Zahnrad" vorne bedienbar.
Oder repräsentativ mit göffneten Türchen.
©Yannick M. J. Gaa; 01.04.2020