Grundig Netzgerät 6007

Wenn man mit Röhren experimentieren oder selbige prüfen will, kommt man früher oder später nicht an einem Netzteil vorbei, welches einem entsprechende Anoden-, Vor- und Heizspannungen zur Verfügung stellt. Ich hatte mir schon vor einiger Zeit ein Netzteil gebaut, das war aber in Funktion und Aufbau nicht mehr zufriedenstellend und bestand im Prinzip nur aus einem Röhrenradio-Netztrafo mit entsprechendem Gleichrichter usw. Also musste etwas richtiges her...

Grundig hat im Jahr 1955 in Zusammenarbeit mit Hartmann und Braun das "stabilisierte Netzgerät 6007" entwickelt und gebaut. Es besteht quasi aus drei Netzteilen in einem Gehäuse und bietet folgende Spannungen:

Das reicht für mich völlig aus, zumal sich sowohl U1-U3, als auch Ug1-Ug3 über Potis stufenlos regeln lassen. Mit den verschiedenen Heizspannungsausgängen kann man (etwa für "P-Röhren") durch in-Reiheschalten fast immer die passende Spannung abgreifen. Da alle drei Teile erdfrei aufgebaut sind, können sie ebenfalls parallel oder in Reihe geschalten werden. Daraus ergeben sich ein maximaler Strom von 250mA bei 250V und eine maximale Spannung von 950V die immerhin noch mit 50mA belastbar ist.

Alea iacta est, es muss ein 6007 her! Leider sind solche edlen Netzteile nicht gerade erschwinglich... Es ergab sich dann über ein paar Ecken aber doch die Möglichkeit ein 6007 für einen halbwegs humanen Preis zu erwerben. Die beiden EL156, die als Längsregler in den beiden 350V-Ausgängen arbeiten, fehlten jedoch. Diese Röhren genießen im asiatischen Raum eine große Beliebtheit für "high-end" und werden dort zu horrenden Kursen gehandelt. Ein großes Problem, weil ich bräuchte zwei Exemplare. Aber zunächst mal ein Blick ins "frisch" eingetroffene 6007:


Wie sich herausstellte, stand das Gerät die letzten 20 Jahre in einer Scheune...


In der Schaltung lebte es noch an allen Ecken und Enden, nichts für Menschen mit Angst vor unseren achtbeinigen Mitbewohnern.

Ich war absolut nicht darauf gefasst so einen "Zoo" gekauft zu haben, auch die Potis saßen bombenfest. Beim Kauf hatte ich lediglich ein paar Fotos von der Vorderseite, bis auf zwei fehlende Knöpfe hatte ich einen guten Eindruck. Weit gefehlt! Neben diversen Spinnennestern hatten sich auch Motten eingenistet. Diese fanden wohl die Isolation der Litzen deliziös, was später noch zu einem bösen Erwachen führen sollte. Aber zunächst der Reihe nach:

Das Chassis war an einigen Stellen angerostet, im Gegensatz zum Gehäuse war es aber nur Flugrost. Es folgte eine Putzaktion ohnegleichen. Alles wurde mit Pinsel und Staubsauger penibel gesäubert und im Zweifelsfall auch mit Wattestäbchen und Alkohol desinfiziert. Das Gehäuse war wirklich in einem desolaten Zustand, hier musste etwas passieren.

Ich entschloss mich das Gehäuse komplett abzuschleifen und anschließend wieder mit silbergrauem Hammerschlaglack, hochglänzend zu lackieren. Das Ergebnis ist nicht perfekt geworden, kann sich aber dennoch sehen lassen, wie ich finde:


Neuer Lack auf "altem Eisen"

Nun ging es mit den elektronischen Problemen weiter, in erster Linie das "EL156-Problem". Ein Pärchen neue Röhren hätte mich vermutlich mehr gekostet, wie das ganze Netzteil. Ich hielt etwas Ausschau nach guten Gebrauchten, aber auch hier tat sich nichts. Also mal das Datenblatt zur Hand genommen und die Parameter mit den noch heute gebräuchlichen Leistungstetroden verglichen.

Hierbei rückten die KT88 bzw. die 6550 ins Blickfeld. In den wichtigsten Punkten sind sich die 6550 und die EL156 ähnlich; Steilheit=11,5 zu 11mA pro V, maximaler Strom, höchstzulässige Spannung, Anodenverlustleistung, der Heizstrom liegt mit 1,6A sogar etwas niedriger wie bei der EL156 (1,9A). Die Wahl fiel also auf ein Pärchen 6550.

Einziges Problem war, die 6550 hat einen Oktalsockel, die EL156 einen zehnpoligen Stahlröhrensockel. Hier musste ich also zunächst einmal die alten Fassungen ausbauen, Maß nehmen und nach zwei passenden Oktalfassungen, am besten aus Keramik, suchen. Dies stellte sich als deutlich einfacher wie gedacht heraus: Es gibt tatsächlich keramische Oktalfassungen für Chassismontage mit "offenen" Längslöchern, sodass die vorhandenen Schrauben wieder benutzt werden konnten. Der Einbau war problemlos.


Hier eine der neuen Oktalfassungen, schon komplett neu verdrahtet

Als nächstes flogen dann die alten Papierkondensatoren und Elkos raus. Die hatten es definitiv hinter sich. Die Zahl ist im Vergleich zu einem durchschnittlichen Röhrensuper eher gering. Die meisten verstecken sich hier direkt hinter der Frontplatte. Was allerdings schnell die Lagerbestände leeren kann, sind die zehn (!) Becherelkos unter den vier Trafos:


Das Gehäuse lässt sich "aufklappen", so kommt man überall recht einfach hin: Rückseite der Frontplatte mit neuen Elkos und C´s

Weiteres Problem waren die alten Selengleichrichter. Ich habe ihnen nach 20 Jahren Scheune keine Chance mehr gegeben, teilweise waren die Gleichrichtergehäuse richtig aufgequollen. Nur wie sollte man die Gleichrichter adäquat ersetzen? Ich überlegte mir eine Konstruktion aus Lötösenreihen. In fünfer-Abschnitte unterteilt, wurde das mittlere Loch frei gemacht, zur Montage mittels Distanzhülse und Schraube. An die restlichen vier Lötösen kamen dann die +/~/-/~ Anschlüsse des neuen Siliziumgleichrichters. Jede Diodenstrecke wurde noch mit einem 1000pF Kondensator überbrückt. Das ganze neun mal, denn so viele Selenbrücken verrichteten hier ihre Arbeit.


Die neuen Gleichrichter



Danach kümmerte ich mich noch um die festsitzenden Potis und das stellte sich als die größte Heraudforderung des ganzen Projekts dar. Erst lötete ich die Anschlüsse ab und baute die Potis aus. Dann bog ich die Schränklaschen auf und konnte die Kohlebahn und die Schleifer problemlos abnehmen. Es verblieb nurmehr die Achse im Gehäuse:



Die üblichen Hausmittel wie Kriechöl, Erhitzen oder Kältespray halfen nur bei drei Exemplaren, die übrigen Achsen musste ich mit "behutsamen" Hammerschlägen, eingespannt mim Schraubstock, aus ihren Buchsen befreien. Danach ein paar Tage in Benzin eingelegt hatte sich das ganze verharzte Fett gelöst und in der Zwischenzeit konnte ich die Kohlebahnen in aller Ruhe reinigen, mit neuem Fett laufen die Achsen wieder schön satt und leicht.



Wieder alles eingebaut und angschlossen zeigte sich dann folgendes Bild: Alles bereit für den ersten Testlauf!


Hier sieht man noch die alten Becherelkos, diese sind inzwischen neuen F+T gewichen.

Dann folgte in etwa soetwas wie ein Super-GAU, es lief im ersten Moment alles super, die Spannungen kamen, die Röhren heizten und die Glimmstabis machten ihrem Namen alle Ehre. Und dann flog die Gerätehauptsicherung raus... Ohje, wo ist der Fehler? Es wird doch nicht etwa einer Trafos defekt sein... Dann ging das große Messen los, an der Schaltung lag es nicht, die hatte ich inzwischen so oft überprüft. Und dann viel es mir ins Auge: Die Isolation der Litzen aus Baumwolle/Seide war für manche der "Zoo-Bewohner" (Motten) wohl sehr "lecker", und war an einigen Stellen bis auf den blanken "Draht" abgenagt. So war es möglich, dass sich zwei der Litzen berührten und einen Kurzschluss erzeugten....



Es blieb mir also keine Wahl die schön gebundenen Kabelbäume aufzuschneiden, die Litzen einzeln nach "Nagerschaden" abzusuchen, ggf. mit Schrupfschlauch oder Isolierband wieder zu isolieren und anschließend mit Skalenseil den Kabelbaum wieder zusammenzubinden. Es gibt wirklich schönere Aufgaben, aber es steckte jetzt schon so viel Zeit und Mühe in diesem Gerät, ein Zurück gab es also nicht mehr.


Der geflickte Kabelbaum

Nach dieser nervenaufreibenden Aktion startete dann der zweite Probelauf, und diesmal lief alles glatt. Zum Glück!




Wirklich üppige Röhrenbestückung in Verbindung mit gut dimensionierten Trafos, ein gutes Netzteil eben.

Nun wollte ich ja diverse Röhren auf Herz und Nieren prüfen, dazu fehlte mir aber noch ein großes, gut ablesbares Amperemeter. Das 6007 hat zwar eingebaute Strommessinstrumente, diese sind allerdings mit den Voltmetern kombiniert und so sind die Ströme nur zeitweise durch Tastendruck abzulesen.

Ich hatte noch ein Neuberger Messinstrument mit 100µA Messbereichsendwert in der Schublade. Durch Parallelschalten von Widerständen lässt sich bekanntlich der Messbereich erweitern. Um das Amperemeter am Ende genau kalibrieren zu können, bietet sich die Verwendung von Spindeltrimmern an. Diese lassen sich recht präzise abgleichen.


Die Spindeltrimmer

Das alles fand dann zusammen mit einem passenden Drehschalter in einem schönen, farblich zum 6007 passenden Blechgehäuse Platz. Weil hiermit auch der Strom hoher Spannungen gemessen werden soll, sind alle Teile bis 1000V gegen das Gehäuse isoliert.


Das Innenleben des Selbstbau-Amperemeters

Nun aber mal ein paar Fotos vom Betrieb!

Geprüft wird eine 6L6GB:


Die Fassungen sind in einer Weinflaschenkiste montiert und die einzelnen Pins an die Buchsen geführt.


Eine PL504 muss sich hier beweisen.

Auch das selbstgebaute Amperemeter tut seinen Dienst:



Ein wirklich aufwendiges Projekt wurde endlich abgeschlossen!

Zeitweise war ich wirklich kurz davor die Kiste zum Schrott zu stellen. Glücklicherweise habe ich es doch nicht getan, denn jetzt habe ich ein komplett überholtes 6007 in der Werkstatt stehen. Ein tolles Gerät!
Abschließend noch ein Foto einer Valvo EM34 in der Prüfung:


Herrlich!


© Yannick M. J. Gaa, 14.10.2020