Capella Tonmeister 663
Ich hatte mal in einer Ausgabe der Funkschau von den "Philips Tonmeistern" gelesen, total fasziniert, dass es damals schon das Konzept der späteren "Hi-Fi" Anlagen gab; Nämlich Lautsprecher und Radiogerät getrennt aufstellen zu können. Philips ist hier dann sogar noch einen Schritt weiter Richtung "Hi-Fi" gegangen, und zwar zwei getrennte (eisenlose) Endstufen für Hochton und Tiefton, mit jeweils getrennten Lautsprecherboxen.

Für mich zum Favoriten hat sich dann der Capella Tonmeister 663 entwickelt, mit seinem "Orchester" in der Klangregelung und der hell abgesetzten UKW-Skala, ein optischer Leckerbissen. Es hat dann schlussendlich mehr als sechs Jahre gedauert, bis ich ein Angebot gefunden hatte, bei dem nicht nur das Steuergerät, sondern auch die dazugehörigen Lautsprecher mit verkauft wurden und das Ganze auch noch in der Nähe und in exzellentem Zustand.




So stand das Objekt meiner Begierde dann bei mir, in Weinheim(Bergstr.) abgeholt, aus dem Wohnzimmer, für das es 1956 gekauft wurde. Nicht eine Macke an den Gehäusen!

Wie oben schon angerissen besitzt dieses Gerät eine, oder besser gesagt zwei, eisenlose Endstufen. Philips hat hier das Konzept verfolgt eine NF-Stufe zu entwickeln, die ohne Ausgangsübertrager (=eisenlos) auskommt und damit alle Nachteile eines Übertragers ausmerzt. Hierzu hat man zwei Leistungspentoden gleichstrommäßig in Reihe geschalten und über einen Kondensator das Wechselstromsignal "in der Mitte" abgegriffen und an die Lautsprecher weitergegeben. Die klassischen 5Ω-Lautsprecher waren hier nicht geeignet, also fertigte Philips 800Ω-Lautsprecher speziell für diese Endstufen. Angefangen hat das ein Jahr zuvor mit der Capella 753 und dem Saturn 653, hier wurden in der Endstufe noch EL84 mit UL84 (bzw. UL41 im Saturn) kombiniert. 1956 kam dann die für diese Aufgabe entwickelte EL86 auf den Markt.

Also werkeln in diesem Gerät vier (!) EL86:



Aber der Reihe nach! Erst müssen auch hier die alten Papierkondensatoren und die alten Elkos raus, und natürlich auch der Staub der letzten Jahrzehnte.



Die Philips Chassis sehen auf den ersten Blick immer etwas chaotisch aus, auf den Zweiten aber technisch ausgereift und doch recht servicefreundlich. Hinten am Chassis sind sogar die wichtigsten Messpunkte herausgeführt, vielleicht nicht ganz so gut wie bei Nordmende, aber man kann bei abgenommener Rückwand das Wichtigste überprüfen und muss nicht erst noch die Bodenplatte abschrauben.

In der ZF-Stufe hat Philips zwei EBF89 verwendet, eine der Dioden-Strecken fungiert als "Rauschdiode". Mit ihrer Hilfe wird das Rauschen zwischen den Sendern etwas minimiert, in dem die Höhen automatisch abgesenkt werden. Auch wieder so eine typisches Philips-Ding! Bloß keine 08/15 Schaltung entwickeln, das kann ja jeder...



Unter dem Chassis geht es bei Philips immer ein wenig "knusprig" zu. Aber auch hier gilt: Es ist alles da, wo es gebraucht wird.

Das Netzteil ist recht aufwendig gestaltet. So sind drei Lade- und Siebelkos verbaut, für die ECC83 ist eine separate, symmetrische Heizwicklung auf dem Netztrafo um Brumm-Problemen aus dem Weg zu gehen und es wird eine EZ81 statt eines Selen-Gleichrichters verwendet.

Auch die Elkos, mit denen die Lautsprecher angekoppelt sind, sitzen hier unter dem Chassis. Normalerweise besitzen diese eine Kapaziät von 8µF, entweder baut man sich diese 8µF zusammen (so wie ich es hier gemacht habe), oder man verwendet einen 10µF Elko. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es auf den Klang keinen Einfluss hat, ob hier nun 8µF, 8,8µF oder 10µF verwendet werden. Außerhalb dieser Werte sollte man sich allerdings nicht bewegen. Viel wichtiger ist die Spannungsfestigkeit! Unter 350V würde ich hier nie gehen, am besten 450V-Typen verwenden.



Wieder zurück im Gehäuse macht alles einen fast neuen Eindruck.

Die originalen Unterlagen gab es mit dazu. Das findet man leider nicht mehr so oft, um so schöner das bei diesem Schmuckstück das "i"-Tüpfelchen dabei war.



Wenn hier gerade schon die Beschreibung des Wandlautsprechers zu sehen ist, werfen wir doch mal einen Blick in den Bassreflexlautsprecher:



Das was ein wenig wie ein überdimensionales Schachbrett aussieht ist gepresste Glaswolle zur inneren Bedämpfung des Gehäuses. Dieses hat eine dreieckige Grundfläche und passt somit perfekt in eine Zimmerecke, weshalb dieser Lautsprecher bei Philips auch unter dem Namen "Baß-Eck-Box" geführt wird.

Das verbaute Chassis hat einen Durchmesser von ca. 25cm, eine Impedanz von 800Ω und ist mit 10W belastbar. Konzertlautstärke, kein Problem.



Hier wird ordenlich Hitze und Kraft erzeugt, dank eisenloser Technik mit geringem Klirrfaktor und großer Bandbreite. Es klingt richtig nach "Hi-Fi", da hätten sich andere Firmen zu der Zeit ruhig eine Scheibe von abschneiden dürfen. Die neue Valvo-EM80 leuchtet auch sehr schön!

Leider war Asbest zu dieser Zeit noch nicht auf der "roten Liste" gestanden und wurde bei fast allen Tonmeister Modellen großflächig an der Gehäuseinnenseite über der Endstufe zum Hitzeschutz angebracht. Diese Asbest-Pappe lässt sich mit Klarlack versiegeln, somit können sich dann nur noch schwer Fasern lösen und die Gefahr ist gebannt.



Der Klangregeler ist noch eine Besonderheit an diesem Radio. Philips hat hier ein kleines "Lichtspieltheater" entworfen, je nach Stellung des Höhen- oder Tiefenreglers, werden mit Hilfe von zwei Blenden von außen die einzenlen Musiker abgeschattet, bis bei voll zugedrehten Höhen und Tiefen nur noch der Dirigent in der Mitte beleuchtet bleibt. Bei "Jazz" ist nur noch ein Saxophonist zu sehen, bei "Sprache" nur noch ein Mann am Mikrophon. Genial!



Das Radio steht bei mir im Wohnzimmer und erfreut mich jedes Mal mit seinen außergwöhnlich guten Klang- und Empfangseigenschaften (auch auf AM!).



Eines der besten Radios seiner Zeit! Auch wenn ich eventuell ein bisschen Philips verrückt bin...es gab und gibt natürlich auch noch andere gute Geräte!

©Yannick M. J. Gaa, 23.08.2018